Vor 75 Jahren wurde in Niederlahnstein der erste Erdbeerfestumzug nach dem Krieg gefeiert

In den 1930er bis 1960er Jahren hatte Niederlahnstein den Ruf des „größten Erdbeeranbaugebietes in Westdeutschland“. Seit den 1880er Jahren wurden Erdbeeren hier erwerbsmäßig angebaut. Besonders Neuzüchtungen wie „Deutsche Evern“ und „Senga Sengana“ verhalfen der Stadt zu großem Erfolg, weil diese Sorten ertragreich, die Deutsche Evern sogar bis zu zwei Wochen früher reif waren, als in anderen deutschen Anbaugebieten.

Plakat 1950

Dies brachte Erdbeerzüchter und das städtische Verkehrsamt auf die Idee, ein Erdbeerfest mit Wahl einer Erdbeerkönigin und großem Festzug als großes Volksfest zu veranstalten.

Nach großem Erfolg in den Jahren 1934 bis 1939, lebte die Idee nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf. Im Juni 1950 wurde drei Tage lang gefeiert. Gleichsam gab es ein doppeltes Jubiläum zu feiern: 75 Jahre Erdbeeranbau und 50 Jahre die heimisch gewordene Sorte „Deutsch Evern“, wozu im Südwestfunk der Pionier der Erdbeerzucht und Initiator des Erdbeerfestes Lorenz Rath interviewt wurde. Rath wusste zu berichten, dass es seit 1928 einen Niederlahnsteiner Erdbeer- und Frühobstmarkt gab, die Anbaufläche im Jahr 1937 bereits 65 Hektar betrug und an einem einzigen Tag bis zu 1600 Zentner Erdbeeren geerntet wurden. Einen Teil der Anbaufläche, die durch Bau der Kasernen 1938 verloren ging, wurde durch Rodung des Walddistrikts „Im Lag“ wettgemacht. Dann warb Rath für den Festumzug 1950 unter dem Motto „Das Lob der Erdbeere“.

Das Fest begann am Donnerstag mit einem „Rheinischen Abend“ im Saalbau Strobel mit dem Schlagerkomponisten Karl Berbuer aus Köln. Hildegard Doneth wurde zur Erdbeerkönigin gewählt. Bürgermeister Dr. Albrecht krönte sie mit einem Diadem.

Samstags fand ein Festkommers mit Überraschungen und Tanz statt. Am Sonntagmorgen wurde die Deutsche Weinkönigin Elisabeth empfangen und ein Platzkonzert auf dem Kirchplatz dargeboten, ehe sich am Nachmittag der Festumzug durch die geschmückten Niederlahnsteiner Straßen schob. Für die Kinder gab es einen Vergnügungspark auf dem Marktplatz und am Montag ein Kinderfest auf der „Lahnwiese“.

Im Presserückblick 1950 war von 15.000 bis 20.000 Gästen zu lesen, die drei Tage lang bis zum Abend in allen Lokalen mit Musik und Gesang feierten.

 Erdbeerkönigin Hilde I. (Doneth verh. Landsrath)  (Fotos: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)

Der Festzug bestand aus 23 Fußgruppen und Motivwagen, gestellt von den Niederlahnsteiner Vereinen sowie den Innungen der Wirte, Schreiner, Bäcker und Metzger. So zog die Bäckerinnung eine Riesenerdbeertorte oder der Männergesangverein eine Große Bowle mit „rheinischen Mädels an Insassen“. Der Sportverein nahm sich den „Schädlingen“ der Erdbeeren an und verkleidete seine Mitglieder in Engerlinge, Tausendfüßler, Schnecken und Blütenstecher.

Das Erdbeerfest wurde in der Folge bis 1962 groß gefeiert, dann wurde es stiller. Wurde das Fest 1963 noch mit einem Großen Bunten Abend im „Wintergarten“ und einer Ruderregatta auf der Lahn gefeiert, so gab es 1964 am Samstagabend nur noch eine Eröffnung des Festes auf dem Marktplatz und sonntags die Ruderregatta, mit der eine neue Tradition begründet wurde, die dann auf die Lehner Kirmes überging. Aus der Erdbeerkönigin wurde 1967 die „Kirmesmaid“ und ab 1970 die Lahn-Nixe, als deren Nachfolger seit 1980 die „Rhein-Lahn-Nixe“ ganz Lahnstein repräsentiert.

In Erinnerung an das Erdbeerfest blieben verschiedene Textdichtungen des Erdbeerliedes erhalten. Die bekannteste Fassung, getextet von Heinz Ziegler, beginnt mit den Versen: „Du Erdbeer voll Aroma, würzig und sortenrein, kannst immer nur von Lahnstein, von Niederlahnstein sein.“