Am 20. August 1400 fand auf Oberlahnsteiner Gemarkung ein Ereignis statt, das die Stadt reichsweit bekannt machte und ihr für immer einen Platz in den Annalen der deutschen Geschichte sicherte: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation, wie sich Deutschland damals nannte, war ein Wahlkönigtum. In der 1356 von Kaiser Karl IV. verkündeten Goldenen Bulle, einem bedeutenden Reichsgesetz, war geregelt, dass der König von der Mehrheit der sieben Kurfürsten auf Lebenszeit gewählt wird. Diese waren der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg sowie die vier rheinischen Kurfürsten, nämlich der Pfalzgraf bei Rhein und die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde dem seit 1378 amtierenden deutschen König, Wenzel von Böhmen, vorgeworfen, unfähig und untätig gegenüber den anhaltenden Missständen in Kirche und Reich zu sein. Die vier rheinischen Kurfürsten schlossen im April 1399 zu Boppard einen festen Bund. Am 4. Juni 1400 ersuchten sie den König in einem Schreiben „zur Abstellung der Gebrechen des Reiches und der Kirche“ am 11. August zu ihnen und den anderen benannten Fürsten nach Oberlahnstein zu kommen, um dort über die Abstellung der Übel zu beraten. Statt Gegenmaßnahmen zu treffen, verblieb der König untätig und unentschuldigt in seiner Residenzstadt Prag. In der Chronik – deren Text in den Arkaden des Alten Rathauses nachzulesen ist – heißt es: „Aber König Wenzel kam nicht, er blieb in Prag wie das Schwein in seinem Stalle. So zogen am Freitag, den 20. August 1400, die Kurfürsten, Grafen, Herzöge, Ritter und Abgesandte der Reichsstädte durch die Oberpforte zu einem Gestühl unweit der alten Liebfrauenkapelle. Dort verlas der Kurfürst zu Mainz das Urteil, das den König seines Amtes entsetzte: Aus vielen wichtigen Gründen und unerträglichen Gebrechen wegen entfernen und setzen wir ab durch diesen unseren Spruch den Herrn Wenzel Römischen Reiches als unnützlich, träg und für das Römische Reich durchaus ungeschickt und entbinden alle Fürsten Edlen Herrn und Knechte, Städte, Länder und Volk, die dem Römischen Reich untertan sind, von jeder Wenzel im Namen des heiligen Reichs geleisteten Huldigung und jedem Eid und ermahnen sie, bei ihrem dem Reiche geschworenen Eide Wenzel nicht mehr zu gehorchen und kein einem römischen König gebührende Leistung zu tun, sondern alles dem zu bewahren, welcher durch Gottes Gnade als nützlich und geschickt zum König gewählt wird.“
Die öffentliche Absetzung inszenierten sie in höchst symbolischen Formen auf einem eigens zwischen Oberlahnstein und Braubach errichteten Gerichtsgestühl. Am nächsten Tag wählten die gleichen Kurfürsten in Rhens gegenüber der Absetzungsstätte und ebenfalls in erhöhter Position den Pfalzgrafen Ruprecht zum neuen deutschen König.
Der Ort des Geschehens lag unweit der vor 1342 erbauten Kapelle „Unserer Lieben Frau auf dem Hubel (Hügel)“, die im Volksmund seit dem 19. Jahrhundert Wenzelskapelle hieß. Nach ihrem durch die Erweiterung des Bahngeländes bedingten Abriss 1903 wurde sie bereits 1905 rund 90 Meter nördlich des alten Standortes in verkleinerter, nicht originalgetreuer Form wiedererrichtet.
Das politische Spektakel, das Oberlahnstein im Jahre 1400 erlebte, hat sich bis heute tief in das kulturelle Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt. An dieses Ereignis erinnern das Gemälde in den Arkaden des Alten Rathauses von 1965 und ein historisches Schauspiel, geschrieben und aufgeführt zum Heimatfest 1966, das einige Bürger anlässlich der 650- und 675-Jahrfeier Lahnsteins 1974 und 1999 und zur 500-Jahrfeier des Alten Rathauses 2007 wiederholt aufführten.