Vor 100 Jahren wurde Heinrich Fisch geboren

Maßgeblich beteiligt an der Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Reichs in Lahnstein war Prof. Heinrich Fisch, der vor zehn Jahren starb.

Fisch betrachtete es stets als seine Aufgabe, als Zeitzeuge über seine Heimat und die Jugendarbeit dort zu berichten, vor allem über den starken Einfluss der katholischen Jugendarbeit. 1988 war er maßgeblich an der vielbeachteten und gut besuchten Ausstellung „Jugend zwischen Kreuz und Hakenkreuz“ in Lahnstein beteiligt. Sie wurde organisiert von ehemaligen Mitgliedern der „Sturmschar“, einer Gruppe des katholischen Jungmännerverbandes, die 1936 von den Nationalsozialisten verboten wurde und anschließend im Untergrund den aussichtslosen Versuch startete, Widerstand zu leisten. Eindrucksvoll wurde in der Ausstellung vermittelt, dass die kirchliche Jugend trotz aller Schikanen und Unterdrückung durch die Gestapo im Glauben Kraft, Mut und Begeisterung fand, durchzuhalten. Über die Ausstellung hat Fisch in verschiedenen Zeitungen und auch im Kreisheimatjahrbuch des Rhein-Lahn-Kreises in der Ausgabe 1990 Resümee gezogen.

(Fotos: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)

Heinrich Fisch wurde am 8. Mai 1925 als Sohn von Johann und Anna Margarete Fisch geb. Braun in Oberlahnstein geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums wurde er 1943 wie alle wehrtüchtigen Kameraden seines Jahrgangs in den Reichsarbeitsdienst in Ockfen / Saar eingezogen. Über seine Zeit 1943/44 als Soldat in Frankreich, die schweren Luftangriffe auf Ober- und Niederlahnstein, wobei sein Vater am 26. Dezember 1944 im Bahnhof Niederlahnstein starb, den Kriegseinsatz in Russland, seine Verwundung und Gefangennahme im März 1945 und die anschließende fünfjährige russische Kriegsgefangenschaft hat er 50 Jahre später ein Buch veröffentlicht. Diese 262 Seiten starke, 2002 erschienene Biographie „Gratwanderung“ ist im Buchhandel erhältlich und in der Archivbibliothek einsehbar. Im Titel spiegelt sich sein Konflikt zwischen Gewissen und Pflicht, zwischen Widerstand und Anpassung, den er in dem Buch eindrucksvoll schildert.

Nach seiner Freilassung zur Jahreswende 1949/50 studierte Heinrich Fisch Ökonomie, Soziologie, Pädagogik, Wirtschafts- und Sozialgeschichte an den Universitäten in Fribourg, Bonn und Frankfurt. 1953 macht er das Examen und promovierte 1957 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Frankfurt mit der Dissertation „Adam Ferguson und seine Gedanken zur Gesellschaft und Wirtschaft“. Im gleichen Jahr heiratete er Hiltrud Bausch aus Oberlahnstein und lebte mit ihr in Bonn, wo er als Gymnasiallehrer und Fachleiter für Sozialwissenschaften arbeitete. Seinen Kontakt zur ehemaligen Lahnsteiner Jugendgruppe, zu der auch Johannes Knauf und Johannes Meuser gehörten, hielt er zeitlebens aufrecht.

Heinrich Fisch publizierte mehrere Bücher zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, darunter die Bände Physik, Wirtschaft und Sozialwissenschaften in der Reihe „Abiturwissen“. 1983 wurde er Honorarprofessor für Politische Wissenschaft mit Schwerpunkt Sozialpolitik an der Universität Bonn. In seiner 1996 erschienenen Veröffentlichung „Ist der Sozialstaat noch zu retten?“ analysierte er kritisch gesellschaftliche Steuerungssysteme.

Am 24. April 2008 verstarb er in seiner Wahlheimat Bonn.