Niederlahnsteiner Schöffensiegel dokumentiert seit 675 Jahren Recht

Als wichtigstes Organ der Rechtspflege auf der lokalen Ebene fungierte in Niederlahnstein das Schöffengericht. Dieses erstmals 1226 belegte örtliche Gericht war für die Einwohner Niederlahnsteins bis 1800 die alleinig zuständige Instanz, vor der ihre zivil- und strafrechtlichen Verfahren wegen Diebstahl, Beleidigung, Schlägerei verhandelt und entschieden wurden. Ausgenommen waren Kapitalverbrechen.

Das örtliche Gericht bestand aus dem Schultheiß als Vorsitzenden und zunächst sieben, in späterer Zeit vierzehn, Schöffen. Der Schultheiß übte seine Tätigkeit als ein vom Erzbischof verliehenes und alimentiertes Amt aus, das noch weitere Aufgaben wie das Einsammeln von Abgaben und die Verwaltung der Einnahmen umfasste.

Die Schöffen hatten zahlreiche Aufgaben und Kompetenzen. Im Gerichtsverfahren amtierten sie als Urteiler und Laienrichter. Sie fällten nach Anhörung der Prozessparteien und Befragung von Zeugen das einstimmige zu ergehende Urteil, das der Schultheiß öffentlich verkündete. Daneben übernahmen sie verschiedene Aufgaben der „Freiwilligen Gerichtsbarkeit“ für die Einwohner Lahnsteins: Sie beurkundeten deren Testamente, Schulderklärungen und weitere vermögensrelevante Transaktionen, beglaubigten Kauf-, Pacht- und Tauschgeschäfte mit ihrem persönlichen oder dem kollektiven Siegel ihres Schöffenkollegiums.

Das Niederlahnsteiner Schöffensiegel von 1350  (Fotos: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)

Darüber hinaus wuchs ihnen durch die Mitwirkung bei der Verhandlung gemeindlicher Verwaltungsaufgaben in den Bereichen Polizei, Marktwesen, Wasser und Wald häufig die zentrale Rolle eines Vermittlers zwischen dem erzbischöflichen Herrn und der Dorfgemeinde zu. Ihre erhaltenen Schöffensiegel liefern wertvolle Informationen über ihre Tätigkeit und Position. Das seit 1350 für Niederlahnstein und 1366 für Oberlahnstein belegte Siegel brachte ihre exponierte Stellung und ihr Selbstverständnis als soziale Gruppe sichtbar zum Ausdruck. Die graphische Gestaltung des Siegels ist zugleich ein politisches Bekenntnis zu ihrem erzbischöflichen Herrn.

Das hier abgebildete Siegel für Niederlahnstein befindet sich an einer Pergamenturkunde vom 29. September 1350 und wird heute im Staatsarchiv Düsseldorf aufbewahrt. Es zeigt das Kurtrierer Kreuz. Die Umschrift lautet: S`(IGILLUM) COMUN SCABINOR(UM) I(N) I(N)FERIOR(I) LAINSTE(IN).

Im Stadtarchiv Lahnstein sind ebenso die Schöffenbücher von Oberlahnstein ab dem Jahr 1367 und Niederlahnstein ab 1478 erhalten – eine einzigartige Quelle für die Rechtspflege vor Ort und die Bedeutung des Rechts im Alltag der Bevölkerung.

Ausführliche Informationen gibt es auch zu diesem Thema im neuen Buch „Lebendiges Lahnstein“ von Dr. Hubertus Seibert und Bernd Geil, das am 28. November vorgestellt wird und dann im Buchhandel erhältlich ist.