Zwischen Grabstein und Galaxis: „Kennen Sie die Milchstraße?“ am Theater Lahnstein

Wenn man nach zehn Jahren Abwesenheit in sein Heimatdorf zurückkehrt, erwartet man gewöhnlich ein herzliches Willkommen – vielleicht ein paar Umarmungen, Kuchen oder Blumen. Samuel Kiefer jedoch, die Hauptfigur in Karl Wittlingers Tragikomödie „Kennen Sie die Milchstraße?“, bekommt all das nicht. Stattdessen ist er offiziell längst tot. Sein Grab ist bezahlt, das Ehrenmal der Gefallenen ebenso, das Kirchendach glänzt dank seines Nachlasses und die Dorfgemeinschaft ist sich sicher: Samuel lebt nur noch in den Chroniken.

Biologisch quicklebendig, statistisch aber beerdigt, stolpert er durch die Absurditäten der Nachkriegsbürokratie. Eine Situation, die so skurril ist, dass man herzlich lachen muss – auch wenn einem das Lachen manchmal im Hals steckenbleibt. Denn unter dem Witz liegt Ernsthaftigkeit: Was bedeutet es, ein Außenseiter zu sein? Was heißt es, sich einen Platz in einer Gesellschaft zu erkämpfen, die einen nicht mehr sehen will?

Im Laufe seines Lebens trifft Samuel Kiefer auf verschiedenste Charaktere, so auch auf Maestro Salvatore Diavolo. (Fotos: Mira Bind / Stadtverwaltung Lahnstein)

In der Inszenierung der Freien Bühne Neuwied, die ihre Premiere im Theater Lahnstein feierte, verschmelzen diese Fragen mit humorvollen Momenten. Nikolas Knauf verkörpert sympathisch und überzeugend den Protagonisten Samuel Kiefer. Ihm zur Seite steht Boris Weber in gleich mehreren Rollen – wandlungsfähig, energiegeladen, mal tragisch, mal urkomisch. Ob Samuel wirklich verrückt ist oder nur die Absurditäten in der Welt erkennt, bleibt das große Geheimnis des Abends.

Der Titel des Stücks findet sich durchgehend als Symbol wieder: die Milchstraße als ein Sinnbild für das Fremdsein, das Verlorensein – und vielleicht auch für die Hoffnung, dass irgendwo zwischen den Sternen Platz ist für die, die hier auf Erden keinen finden. Mit „Kennen Sie die Milchstraße?“ ist eine Tragikomödie gelungen, die den Zuschauer gleichermaßen zum Nachdenken und Lachen bringt.

Die Premiere wurde mit begeistertem Applaus gefeiert. Man spürte: Das Stück trifft einen Nerv – gerade weil es zeitlos aktuell ist. Denn wer kennt es nicht, das Gefühl, nicht so recht dazuzugehören?

„Kennen Sie die Milchstraße?“ ist noch bis zum 12. Oktober im Theater Lahnstein zu sehen. Weitere Informationen und Tickets gibt es unter www.theaterlahnstein.de.