Vor 150 Jahren erhielten die Lahnsteiner Protestanten ihren ersten Kirchenbau

Parallel zu den Bewohnern wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die evangelische Gemeinde in Lahnstein rasant an, sodass sie 1871 bei einer Einwohnerzahl von 4200 in Ober- und 2500 Personen in Niederlahnstein bereits 600 Seelen zählte.

Noch hatte sie kein eigenes Kirchengebäude und hielt seit 1861 regelmäßig ihre Gottesdienste in der früheren Kapelle des Martinsschlosses ab. 1863 durfte die Gemeinde einen eigenen Kirchenvorstand stellen, der sich für einen Kirchenbau stark machte. Mit Einverständnis der herzoglich-nassauischen Landesregierung wurden die Kirchensteuern der evangelischen Einwohner von Nieder- und Oberlahnstein in einen Fonds für den Bau einer neuen Kirche überwiesen. 1869 konnte ein Bauplatz erworben werden.

Festzug vor Evangelische Kirche bei der Einweihung, 1875

Neben der Hauskollekte und den Spenden prominenter Glaubensgenossen wie der preußischen Königin leisteten vor allem die Gustav-Adolf-Vereine Unterstützung. Auf eine staatliche Zuwendung verzichtete die Gemeinde, weil das zuständige Ministerium die Baupläne für zu luxuriös hielt und mit Rücksicht auf die geringe Leistungsfähigkeit der Gemeinde anstelle des Glockenturmes nur einen kleinen Dachreiter genehmigen wollte. Das Gotteshaus der emporblühenden evangelischen Gemeinde sollte inmitten einer katholischen Umgebung keinen allzu ärmlichen Eindruck machen. Misstrauen und Anfeindungen zwischen beiden Konfessionen waren noch stark.

1871 berief Landesbischof Wilhelmi als neuen Pfarrer Hermann Rocholl aus Elberfeld nach Oberlahnstein. Unter ihm wurde in dreijähriger Bauzeit die evangelische Kirche an der Nordallee errichtet. Die Steine stellte Gustav Goede, damaliger Besitzer von Burg Lahneck, aus seinem unterhalb der Burg gelegenen alten Steinbruch zur Verfügung. Die Eichenstämme stiftete die Stadt Oberlahnstein und der Orgelfonds wurde von einem Londoner Kaufmann begründet. Durch kaiserliche Verfügung wurden der Gemeinde zwei große französische Kanonenrohre für den Glockenguss übergeben und in einer Glockengießerei bei Herborn gegossen. Die Planung lag in den Händen des Wiesbadener Baurates Eduard Zais.

Am 9. Oktober 1872 wurde der Grundstein gelegt. 1874 wurde Oberlahnstein als Kind der evangelischen Muttergemeinde Braubach kirchlich selbstständig und bereits am 3. Juni 1875 konnte die Kirche feierlich eingeweiht werden.

Sowohl im Ersten Weltkrieg als auch im Zweiten Weltkrieg mussten die Glocken zum Einschmelzen für Kanonen abgegeben werden. In beiden Fällen kehrten sie nicht zurück, sodass 1927 bzw. 1955 neue Glocken gegossen und aufgehangen wurden.

Innenansicht heute (Foto: Bernd Geil / Stadtverwaltung Lahnstein)

Zum 1. April 1956 wurde die evangelische Gemeinde Niederlahnstein selbstständig und konnte fünf Jahre später einen eigenen Kirchenneubau an der Allerheiligenbergstraße beziehen. Die Friedrichssegener Einwohner nutzten von 1888 bis 1912 die Simultankirche, anschließend die Oberlahnsteiner Kirche, bis 1965 die neue evangelische Friedenskirche im Ortsteil Ahl eingeweiht wurde.

Das Gotteshaus an der Nordallee geriet im Zweiten Weltkrieg durch Artilleriebeschuss stark in Mitleidenschaft. 1948 begann der Wiederaufbau, 1959/60 eine umfassende Renovierung. Bei der jüngsten Renovierung 1995 wurde einiges wieder rückgängig gemacht, das Gotteshaus durch Farbe freundlicher gestaltet und in Anklängen der ursprüngliche Zustand wiederhergerichtet.

Als Pfarrer waren in Oberlahnstein tätig: Hermann Rocholl (1871 - 1897), Oskar Mencke (1897 - 1935), Hermann Haaß (1935 - 1949), Ernst Fey (1949 - 1970), Herbert Krähe (1970 - 1979), Horst Bleeck (1979 - 2000) und Detlef Wienecke (2001 - 2021). Seit 2021 sind Pfarrer Benjamin Graf und Pfarrerin Kerstin Graf aktiv.

Das Stadtarchiv beteiligt sich zum Jubiläum am 29. Juni 2025 mit einer kleinen Ausstellung im Evangelischen Gemeindehaus, Wilhelmstraße 53.