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UNESCO Welterbe
14. Oktober 2016 Kategorie: Pressemitteilungen

Jüdischer Kaufmann Emil Baer starb vor 75 Jahren


Die Fotos zeigen Emil Baer mit seinen zwei Kindern Änne und Paul (Slg. Paul Baer im Stadtarchiv Lahnstein) sowie seinen Urenkel Michael Baer mit Familie auf dem Baere-Brückelche (Bernd Geil/Stadtverwaltung Lahnstein 2015).

Lahnstein. Wenn man in Lahnstein vom „Baere-Brückelche“ erzählt, weiß (fast) Jeder, welche Brücke gemeint ist. Aber nur den wenigsten ist bewusst, dass diese eiserne Brücke über die Felsschlucht am Koppelsteinfelsen nach dem jüdischen Kaufmann Emil Baer benannt ist, der sie kurz vor dem Ersten Weltkrieg gestiftet hat. Am 27. Mai 1914 wurde sie eingeweiht. Ihr Stifter und seine Familie wurden Opfer des Nationalsozialismus, woran heute mehrere Stolpersteine in der Ostallee und in der Mittelstraße erinnern.

Emil Baer wurde am 12.04.1876 in Oberlahnstein als ältester Sohn von Simon Baer geboren. Der aus Immendorf stammende Pferdehändler hatte mit Karoline in die reiche Familie Rheinhold eingeheiratet. Die Gräber der Eheleute sind auf dem jüdischen Friedhof am Ahler Weg in Oberlahnstein erhalten, Karolines Grab allerdings ohne Grabstein.

1903 heiratete Emil die Triererin Johanna Marx (geb. 06.07.1873). Er war mittlerweile ein angesehener Kaufmann und betrieb im Bereich Handerweg / Martinstraße einen Schrotthandel. Nach dem Untergang des Bergbaus in Friedrichssegen ersteigerte er einen Teil des Geländes im Ahlerhof und errichtete dort 1916 seine Betriebsstätte. Neben dem Eisengroßhandel hatte er ab 1922 auch die Konzession für Textilverwertung. Das Unternehmen lief sehr erfolgreich, bis es 1938 im Zuge der Judenverfolgung zwangsaufgelöst und als Firma Wilhelm Narmann weitergeführt wurde.

Die Baers wohnten in der Villa neben dem Krankenhaus in der Ostallee, drei von Emils sieben Geschwistern in der Mittelstraße. Nachdem er bereits viele Jahre Stellvertreter war, wurde Emil Baer 1934 Vorsteher der jüdischen Kultusgemeinde Oberlahnstein. In der Reichspogromnacht 1938 wurde die ‚Villa Baer‘ – wie auch die Synagoge und die Wohnungen anderer jüdischer Mitbürger – verwüstet und der gesamte Hausrat zerstört oder gestohlen. Im Februar 1939 mussten die Baers wie alle noch in Lahnstein lebenden Juden in das sogenannte „Judenhaus“ Martinstraße 2 umziehen, Emils ehemaliges Geschäftshaus. Zusammen mit seiner Frau und seiner Schwester Minna wurde er Anfang August 1941 nach Friedrichssegen zwangsumgesiedelt, von wo er am 26. August ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt wurde. Dort kam er am 15. oder 16. Oktober 1941 ums Leben, entweder durch Selbstmord oder an den Folgen der Misshandlungen seiner Peiniger.

Seine Frau Johanna und seine Schwester Minna mussten wie die anderen in die Tagschacht-Wohnanlage umgesiedelten Juden unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeiten verrichten, die Frauen im Ton- und Dachzielgewerk Edelhoff, die Männer im Verschrottungsbetrieb Narmann, also Baers ehemaligem Betrieb. Im Spätsommer 1942 wurden schließlich alle in den Tod geschickt. Johanna Baer wurde am 01.09.1942 ins Ghetto Terezin (Theresienstadt) und am 29.09.1942 weiter ins Vernichtungslager Treblinka deportiert, Minna Baer (geb. 26.12.1877) bereits am 10.06.1942 ins Vernichtungslager Sobibor und gilt seither als verschollen.

Vier weitere Geschwister von Emil Baer wurden ebenfalls ermordet:
•    Flora (geb. 17.01.1874) war in Frankfurt mit Siegmund Heymann aus Braunfels verheiratet. Beide wurden am 16. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo am 19. April 1943 Floras Tod beurkundet wurde.
•    Helene (geb. 10.07.1881) verh. Wolff, lebte in Köln, von wo sie am 30. Oktober 1941 ins Ghetto Riga deportiert wurde. Im Mai 1942 wurde sie im Vernichtungslager Chełmno [Kulmhof im Wartheland] ermordet.
•    Max (geb. 02.12.1885), Kaufmann in Koblenz, wurde mit seiner Frau Martha am 22.3.1942 von Koblenz-Lützel nach Izbica deportiert und im März 1942 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.
•    Barbetha (genannt Bettina oder Babette) (geb. 20.03.1890) flüchtete nach Köln, wo sie verhaftet und am 30. Oktober 1941 ins Ghetto Łódź (Litzmannstadt) deportiert wurde. Seitdem gilt sie als verschollen.

Bruder Rudolf (geb. 20.10.1883), von Beruf Polsterer, wohnte wie seine Geschwister in der Mittelstraße 12 und starb am 16.04.1941 im Krankenhaus Oberlahnstein. Die Sterbeurkunde nennt als Todesursache eine Kriegsverletzung.

Emils Kinder Änne und Paul konnten rechtzeitig emigrieren. Änne flüchtete mit ihrem Mann, dem Koblenzer Maler Willy Adler, in die USA. Dr. Paul Simon Baer flüchtete über England nach Australien. Mit dessen Sohn Stephen in Sidney/Australien besteht seitens des Stadtarchivs und des Altertumsvereins reger Kontakt. Stephens Sohn Michael besuchte im vergangenen Jahr mit seiner Familie Lahnstein und war sichtlich bewegt, dass sein Urgroßvater Emil Baer in Lahnstein unvergessen ist.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhren Emil Baers Kinder Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht. Die Firma ging zurück in ihren Besitz und hieß fortan „Emil Baer Nachfolger“. Anfang der 1970-er Jahre verlegte sie ihren Sitz nach Koblenz.