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UNESCO Welterbe
06. April 2017 Kategorie: Pressemitteilungen

Dr. Gregor Gysi auf den Spuren seiner Vorfahren

Politiker besuchte Lahnsteiner Verwandte und das Stadtarchiv

Dr. Gregor Gysi studierte im Stadtarchiv Lahnstein zusammen mit Archivar Bernd Geil die Familienbücher. (Foto: Alina Hillesheim/Stadtverwaltung Lahnstein)

Lahnstein. Anlässlich eines Vortrags in Koblenz-Pfaffendorf besuchte Dr. Gregor Gysi die Heimat seiner Vorfahren in Lahnstein. Nur den wenigsten Einheimischen dürfte bekannt sein, dass der Großvater des Rechtsanwalts und Bundestagsabgeordneten der Fraktion "Die Linke" am 23.11.1877 in Oberlahnstein geboren wurde, nämlich Gottfried Anton Lessing. Er ist der vier Jahre ältere Bruder des Ehrenbürgers Dr. Walter Lessing und Sohn des Großindustriellen Anton Lessing und seiner Frau Lydia de Cuyper.

Die 1904 errichtete Familiengruft der Lessings befindet sich im nördlichen Teil des Alten Friedhofs Sebastianusstraße, ein mit Jugendstilmosaiken verziertes Granitdenkmal, das als Kulturdenkmal unter Schutz steht. Der Besuch am Grab seiner Urgroßeltern war Gysis zweite Station in Lahnstein. Zuvor besuchte er die Verwandtschaft in der zwischen Ahler Weg und Krankenhaus gelegenen Villa, wo Gysis Mutter Irene Olga Lydia Lessing (1912-2007) als Kind öfters zu Gast war. Das Anwesen erwarb Anton Lessing im März 1872 nebst umliegenden Weinbergen und Äckern, die sich in den Stockbüchern (Vorgänger der Grundstückskataster) im Stadtarchiv Lahnstein einzeln nachweisen lassen. Der Besuch des Stadtarchivs am Kaiserplatz war daher Gysis dritte Station. Stadtarchivar Bernd Geil zeigte ihm zahlreiche Dokumente zur Familiengeschichte, so die Geburtsurkunde des Großvaters und Sterbeurkunde des Urgroßvaters.
Anton Lessing ist 1840 in Mühlhausen geboren. Nach der Kaufmannslehre wurde er Handelsvertreter einer englischen Firma in Russland. Er ließ sich 1864 in St. Petersburg und später in Moskau nieder und gründete gemeinsam mit den Brüdern Gustav und Amand Struve eine Maschinenfabrik für Lokomotiv-, Brücken- und Schiffbau in Kolomna an der Moskwa und 1871 die Tschulkovo-Gesellschaft für Steinkohlegewinnung. Die drei wurden damit zu wichtigen Wegbereitern der Industrialisierung Russlands. 1881 gründeten sie die Sosva-Eisengusswerke und übernahmen 1885 zur Sicherung des Rohstoffbedarfs die Wyksaer Hüttenwerke bei Nischnij Nowgorod. 1906 fusionierte Lessings Unternehmen mit den Ssoromow-Werken bei Nischnij Nowgorod. Insgesamt wurden in diesen Werken etwa 40.000 Menschen beschäftigt.
In Oberlahnstein stand die Familie Lessing mit ihren neun Kindern im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und trat immer wieder als Wohltäter hervor.
Anlässlich seines "25-jährigen Zusammenlebens mit der Ortsbevölkerung" 1897 stiftete Anton Lessing der Stadt Oberlahnstein 5.000 Mark, die für den evangelischen und katholischen Gesellenverein sowie für arme Bürger bestimmt waren. In seinem Testament bedachte er die Stadt mit großzügigen Geldsummen für den Ausbau des Oberheckerwegs, für den Aufbau des Heimatmuseums und abermals für die Armen in der Bevölkerung. Die Verteilung des Geldes geschah durch Naturalien, was in den städtischen Akten ebenso belegbar ist, wie die Schenkung der Forstmühle an die Stadt Oberlahnstein zu Lessings 70. Geburtstag.
Anton Lessings Geschäfte in Russland wurden seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch seinen Sohn Gottfried (1877-1950) fortgeführt. Mit seiner Ehefrau Tatjana von Schwanebach und den beiden Kindern Irene und Gottfried jr. wurde er beim Ausbruch des 1. Weltkrieges aus Russland ausgewiesen und zog mit seiner Familie nach Berlin. Irene Lessing (1912-2007) heiratete 1945 Klaus Gysi (1912-1999), den späteren Leiter des Aufbau Verlags, Kulturminister, Botschafter und schließlich Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR. 1946 wurde ihre Tochter Gabriele Gysi geboren, die Schauspielerin und Regisseurin werden sollte; 1948 kam Sohn Gregor Gysi zur Welt. Gregors Onkel Gottfried jr. Lessing (1914-1979) wurde Jurist und heiratete die Schriftstellerin Doris May Wisdom, die 2007 den Nobelpreis für Literatur erhielt.
Dr. Walter Lessing war auch bei verschiedenen Unternehmen in Russland tätig und konnte das Land unmittelbar vor Ausbruch des 1. Weltkriegs verlassen. Nach dem deutsch-russischen Waffenstillstand 1918 wurde er als Bevollmächtigter des Kriegsministeriums nach Moskau beordert, wo er knapp einem Anschlag auf sein Leben entkam. Er ging daraufhin nach Berlin, arbeitete im Kriegsministerium und war Mitbegründer des Bundes der Auslandsdeutschen. Nach seiner Heirat mit Anneliese Sack kehrte er nach Oberlahnstein zurück. Hier setzte er seine Erfahrungen für die heimische Industrie ein, übernahm die Verantwortung für das Oberlahnsteiner Werk der Fa. Gauhe, Gockel & Cie und führte die Firma in den 1920er Jahren zu steigendem Erfolg. In nationalsozialistischer Zeit zog er sich zurück und verkaufte die Firma an Otto Kaiser. Als die Russen 1945 in Berlin einmarschierten, wurde Lessing Leiter des Dolmetscherbüros in Berlin-Zehlendorf. Er half manche Schwierigkeiten mit den russischen Besatzern abzubiegen, desgleichen später mit den Franzosen in Oberlahnstein. Als Stadtrat setzte sich Walter Lessing für den kommunalen Wiederaufbau ein, besonders für die Erhaltung des Gymnasiums. Er war Mitbegründer der Europaunion in Oberlahnstein und dem Landkreis St. Goarshausen. Die Arbeit für den Frieden und die Einheit Europas lag ihm besonders am Herzen. Er war lange Jahre Kreisvorsitzender der Europaunion, wie später auch sein Sohn Clemens. Dessen Sohn Wilhelm Lessing, also Antons Urenkel, bewohnt heute die Villa Lessing. Mit seiner Ehefrau Sabine hieß er den Großcousin aus Berlin willkommen und begleitete ihn zum Grabmal und ins Stadtarchiv.
Dr. Gysi zeigte sich von der Erhaltung der Dokumente im Stadtarchiv beeindruckt. Ins Gästebuch schrieb er: „Nachdem ich nun die Stadt gesehen habe, habe ich auch verstanden, weshalb es meinen Urgroßvater hierherzog.“ Abschließend dankte er dem Oberbürgermeister für die Gastfreundschaft. Im Herbst 2017 wird Gysi bei der Kolpingfamilie St. Martin referieren.